Palm Springs Aerial Tramway

Knapp zwei Stunden von LA entfernt liegt Palm Springs, Rentneroase und Rückzugsort des Jetsets im „kalten“ Winter Kaliforniens. Der Wetterbericht sagt klare Sicht voraus, also plane ich, mit der Seilbahn auf 2.596m Höhe aufzusteigen und dabei vier Vegetationszonen zu überwinden. An der Talstation angekommen nehme ich erstmal die amerikanische Seilbahnbaukunst in Augenschein, denn Wikipedia zufolge hat hier ein gebrochener Bolzen schon mal ein Menschenleben gefordert. Aber das vertraute Doppelmayr-Logo beruhigt mich, ebenso wie das Vertrauen in die Ausbildung der Betreiber, denn dem bereits genannten Wikipedia-Eintrag entnehme ich auch, dass der letzte größere Defekt nach 4,5 Stunden von einem ungelernten Operator mit Hilfe dessen Leatherman beseitigt werden konnte.

Gleichzeitig mit mir ist eine Busladung amerikanischer Rentner von Discover America Tours eingetroffen, was zu der Erkenntnis führt, dass amerikanische Reisegruppen sich genauso benehmen, wie deutsche Reisegruppen: laut und unangemessen. Ich lasse es über mich ergehen, und schmunzle, als bei gleichbleibendem Rhabarber-Rhabarber der Rentnergruppe während der gesamten Gondelfahrt das obligatorische Band anläuft, auf dem mit Zirkusdirektorstimme alle Fakten und Besonderheiten von Seilbahn und Umgebung erklärt werden.

Die Seilbahn ist die größte Seilbahn der Welt mit, sich um die eigene Achse drehenden Panoramagondeln. An den Außenwänden sind wie gewohnt Haltestangen angebracht, allerdings dreht sich darunter der Boden und macht pro Fahrt zwei volle Umdrehungen. Mit dem Festhalten ist es da natürlich nicht mehr so einfach, besonders bei Stütze vier schaukelt es auch ganz nett. Man könnte nun einfach auf seinem Platz stehen bleiben, und sich nur festhalten, wenn es nötig wird, aber der Herr links neben mir kommt damit irgendwie gar nicht recht klar und tippelt ohne es zu merken andauernd langsam rückwärts. Mit viel „Excuse me, excuse me“ muss ich immer wieder an meinen am Boden abgestellten Rucksack hinuntergreifen um mit der Masse rückwärts tippeln zu können. So hat die gesamte Gondelladung bis nach oben zwei volle Umdrehungen der Gondel mitgemacht, minus eine halbe Umdrehung, die wir kollektiv zurückgetippelt sind. Beim Aussteigen erhalten wir noch einige Instruktionen und Directions vom Seilbahnschaffner: „The terrace is upstairs. The restrooms are downstairs. The hiking area is outside.“ Scheiße. Wirklich? Draußen?

An der Bergstation gibt es ein Fullservice-Panoramarestaurant mit gelobter Küche, und eine SB-Cafeteria. Mein Frühstück liegt schon etwas zurück, und ich merke ein wenig die dünne Luft in der Höhe, also schaue ich mich mal nach einem kleinen Snack um. Was die Mitreisenden hier oben in der Cafeteria vertilgen ist einfach nur traurig und würde auch nach dem zweiten Verdauungsgang nicht anders aussehen. Ich erspähe dennoch Müsliriegel und eine Obstschale, greife mir zwei Riegel und einen Apfel. An der Kasse antworte ich verdutzt auf die Frage „The fresh fruit, did you bring it?“ – „No, I want to buy it.“ – „You want to buy it?“ – „Yes, that’s an apple.“ – „Ah, okay.“ – „So nobody bought that before me today? Or this week?“ – „Yes, hehe…„. Fertig ausgerüstet begebe ich mich in die hiking area. Ich finde sie draußen.

Oben am Berg ist es durchschnittlich 30° kälter als unten. Also, in Fahrenheit. In Celsius sind das… äh… also, es ist oben halt kälter als unten. Und windiger (wobei, wer das Tal hinunter nach Palm Springs kennt, weiß, dass es auf keinem Berg so windig sein kann, wie dort unten). Auf jeden Fall packe ich mich erstmal angemessen warm und winddicht ein, und mache mich auf den Weg in die Wilderness. Zuerst geht es auf vier Meter breitem Betonweg nach unten, später aber tatsächlich auf unbefestigtem Wanderweg an massiven Kiefern vorbei zu verschiedenen Aussichtspunkten. Neun von zehn meiner Mitfahrer haben die Bergstation nur für ein kurzes Foto verlassen. Fünf von hundert haben sich nicht getraut, nach dem Betonweg weiterzulaufen, die Kiefernnadeln pieksen doch ganz schön durch die Flipflops. Mit den restlichen fünf von hundert teile ich mir den Wanderweg, sprich: Ich bin praktisch allein.

Hier oben liegen noch ein paar Schneereste, aber die Wintersportsaison (Snow Shoeing, Langlauf) ist schon vorüber. Am Aussichtspunkt mit dem schönen Namen „Notch 5“ setze ich mich in die Sonne und picknicke. Den Apfelbutzen traue ich mich nicht in den Abgrund zu werfen („Do Not Litter!„), ich möchte ja nicht als Einziger in Handschellen vom Berg geführt werden, nicht wenn auf der Talfahrt wieder alle rückwärts tippeln. In einem unentdeckten Augenblick überwinde ich meine Ängste und mache ein Squirrel glücklich.

Leider lag der Wetterbericht doch recht daneben, und statt klarer Sicht hinein in die Weiten des Yoshua Tree National Parks sieht man nur hinab in’s im Schachbrettmuster besiedelte Gebiet um Palm Springs. Ich mache mich auf den Rückweg. Auf der Talfahrt stelle ich mich in die Mitte der Gondel und beobachte belustigt, wie die Reisegruppe wieder den Moonwalk machend zu Tale tippelt. Besonders bemerkenswert fand ich dann noch die wissbegierige Frage einer Dame an den Seilbahnführer: „Does it go down faster than up?

Fazit des Ausflugs: Bei mäßiger Sicht war es nicht ganz so lohnend. Dennoch habe ich viel gelernt. Aber der leckere Cappuccino in meinem Stammcafe in Palm Springs wird den Tag wieder rausreißen, das weiß ich jetzt schon.

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