Pow Wow

Wir haben Pendleton erreicht. Eine Kleinstadt im trockenen Westen Oregons, eigentlich nur vier Stunden entfernt von Portland, der jungen, quirligen Großstadt, die wir noch besuchen werden, dennoch ein komplett anderer Kosmos. Immer Mitte September findet in Pendleton eines der renommiertesten und größten Rodeos der USA statt. Als wir davon hörten, haben wir gleich versucht, hier noch ein freies Hotelzimmer zu ergattern (wohlgemerkt: vor neun Monaten!) und das letzte freie (bezahlbare) Motel-Zimmer bekommen. Um diesen fixen Termin herum hatten wir dann den Rest der Reise geplant. Ob sich das wohl gelohnt hat, auch wenn man bedenkt, dass Pendleton doch ganz schön abseits unserer Route liegt? Bald werden wir es wissen. Rodeo-Karten haben wir übrigens keine, wir wollen uns eher das Drumherum, und die große Parade morgen früh anschauen. Die Karten waren wohl ohnehin schon ein Jahr vorher ausverkauft…

Zunächst stolpern wir mal etwas unbeholfen durch die Stadt. Der Blick ins Programmheft ist für Greenhorns nur bedingt hilfreich. Bei vielen Veranstaltungen wissen wir nicht wirklich, worum es sich handelt, und nicht immer steht dabei, wo genau das stattfindet – denn die Teilnehmer wissen es ja eh. Also ziehen wir durch Downtown, wo ein bisschen eine Vergnügungs- und Fressmeile aufgebaut ist, aber entweder bauen die gerade auf, oder schon ab. Wir holen uns erstmal einen Funnel Cake, in Südtirol würde man das einen Strauben nennen. Frisch gemacht ist der lääääcker!

Fahren wir also erstmal weiter zum Rodeo Ground. Dort findet – soweit wir das Programm verstehen und interpretieren können – heute Abend zwar kein Rodeo statt, aber es scheint auch da eine Meile mit Buden zum Vorbeibummeln und Cowboysgucken zu geben. Zufällig landen wir aber zuerst bei den Indianern. Die Native Americans sind fester Bestandteil des Pendleton Round-up (so heißt die ganze Veranstaltung, die eine Woche lang dauert). Sie kampieren in Wigwams hinter dem Round-up Ground (dem Rodeo-Stadion), nehmen an den großen Paraden teil, und laden zu eigenen Veranstaltungen ein.

Bei unserem Eintreffen tanzen gerade die Indianerinnen, so wie es aussieht mit anschließender Bewertung durch einige Punktrichter. Die bunten, perlenbesetzten Kostüme – nein: Trachten, denn das sind eben echte Indianer, die haben sich nicht nur als Indianer verkleidet – sind ein toller Anblick. Dann kommen die Chiefs dran, die Häuptlinge. Sie tanzen drei Tänze: Indian Nation, Battle Axe, und den Namen des dritten habe ich leider vergessen. Indian Nation ist quasi die Nationalhymne der Natives. Ein Indianer, der vor uns sitzt, und uns vorher freundlich zu ein paar freien Plätzen auf der Tribüne hochgelassen hat, gibt uns Weißen zu verstehen, dass man sich erhebt, wenn Indian Nation gesungen wird. Der Text geht ungefähr so: Aiaaaaa aia, Aiiiaaah aiah, Aiiiiaaaa aiiia aaa. Im Schatten sitzt eine Gruppe von Indianern rund um eine Trommel, die sie gemeinsam verwenden und singt diesen esoterischen Gesang. Es hört sich unglaublich schön und erhaben an. Dazu tanzen die Chiefs, der eine mehr, der andere weniger engagiert – was sich bei der Bewertung später sicher niederschlagen wird. Am Ende bekommen aber doch alle vom Juror einen Handschlag. Nach dem letzten Tanz darf das Publikum den Bonustanz sogar mittanzen, wir verkrümeln uns jetzt lieber. Allerdings: diese Schritte hätte ich auch noch hinbekommen. Nach dem Bonustanz packen’s auch die Indianer und ziehen sich in ihre Zeltstadt zurück. Morgen werden wir sie überraschend wiedersehen, dazu bald mehr…

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Bevor auch wir uns in unser Wigwam zurückziehen, gilt es unsere leergefegten Bäuche zu füllen. Wir entscheiden uns kurzerhand für den Saloon mit dem meisten Rummel: Hamley’s. Der Laden scheint mehr als beliebt zu sein, auch einige Rodeo-Teilnehmer, die stolz ihre Startnummern am Gürtel tragen, scheinen sich hier noch Mut antrinken zu wollen. Wir bekommen einen schönen Platz auf der Galerie und beobachten von dort das laute Treiben unten an der Bar, während in der Küche ein leckeres 8 oz kleines Steak für mich gegrillt wird, und Simone – ganz Cowgirl – sich für einen Salat entschieden hat. Und merke: Der echte Cowboy nimmt seinen Hut nur in der Kirche ab.

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Draußen auf der Main Street ist mittlerweile weit mehr los, als noch am Nachmittag. Auf mehreren Bühnen spielen Bands, sportliche Reiter und mutige Möchtegerne versuchen sich am Bullenreiten. Vor der Bühne wird Two Step getanzt und einige ältere Damen tanzen eine Art Square Dance, ganz routiniert, als täten sie den ganzen Tag nichts anderes. Wir tanzen unseren Betten entgegen. Morgen ist früh aufstehen angesagt: 6 Uhr Cowboy-Frühstück, 10 Uhr Parade. Gute Nacht, John Boy!

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