Harvard

Wir machen uns auf den Weg nach Harvard. Eigentlich nur ein paar Stationen mit der U-Bahn, aber auch in Boston kann man am Wochenende ein Vergnügen haben, von dem ich dachte, das gibt es nur in Deutschland: Schienenersatzverkehr. Der Shuttlebus, der einen gesperrten Streckenabschnitt überbrückt bringt uns dafür gratis vom Boston Common zum MIT, dort wieder runter in die U-Bahn, und schwupp stehen wir auf dem Harvard Square. Dort kommen wir gerade pünktlich zur Führung über den Campus.

Die offiziellen Führungen der Universität sind kostenlos und werden von Studenten geführt, die neben der Geschichte der ältesten Uni der USA auch die eine oder andere Anekdote aus dem Studentenleben erzählen. 5% der Bewerber schaffen es auf diese Institution, das Auswahlverfahren kommt einem Assessment Center gleich. Hier studieren nur die Besten der Besten. Unsere Führerin ist gerade mal 18 Jahre alt, aber dennoch schon im zweiten Studienjahr.

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Während des ersten Studienjahrs wohnen alle Studenten in den Backsteingebäuden auf dem alten Campus. Danach ziehen sie in Häuser rundherum um und leben dort ein WG-ähnliches Familienleben. In diesem Gebäude befindet sich in den ersten beiden Stockwerken das Büro der Hochschulpräsidentin, darüber wohnen ebenfalls Studenten – da versucht man aber möglichst brave auszuwählen. Ganzschön die Arschkarte gezogen, würde ich das nennen. Unser Guide versichert uns aber, dass sie schon Studenten kennengelernt hat, die über der Präsidentin wohnen, und die seien erstaunlicherweise doch ganz normale Menschen.

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Das größte Gebäude auf dem Campus enthält ein Mahnmal für alle Universitätsmitglieder, die über die Jahrhunderte in Kriegen gefallen sind, außerdem ein Auditorium, in dem der Hochschulchor übt, Nobelpreisträger referieren, das Studentenorchester auftritt, und dann auch mal Lady Gaga singt. Ganz nettes Spektrum. Leider kommt man am Wochenende dort nicht rein, aber als die Haupttür kurz aufgeht, weil jemand herauskommt, schlüpfen wir schnell hindurch. So macht man das hier also.

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Entgegen aller Regeln stehle ich mich dann auch kurz in den großen Essenssaal hinein. Also, unsere Mensa sah anders aus…

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Nach einem Bummel zurück über den Campus endet unsere Führung noch am Denkmal von John Harvard, der – laut Inschrift – 1638 Harvard gegründet hat. Wir erfahren aber, dass das von vorn bis hinten nicht stimmt: Erstens hat er die Uni gar nicht gegründet, zweitens wurde sie schon ein paar Jahre vorher gegründet, und drittens ist das gar kein Abbild von John Harvard, sondern zeigt einen Kumpel des Künstlers. Wie der echte John Harvard mal ausgesehen haben mag ist nämlich nicht überliefert – ein Brand hat alle Bilddokumente der damaligen Zeit vernichtet.

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Wir testen noch die Sozialkompetenzen unserer Führerin und lassen uns ein Café empfehlen. Das soll „Grammar“ oder „Grandma“ oder so heißen, die Straße runter, dann rechts, notfalls einfach nochmal fragen. Okay, es stellt sich heraus, dass das Café „Crema“ heißt, kann man ja mal falsch verstehen. Die Schlange ist lang, da muss der Kaffee gut sein. Ist er auch. Wir haben uns die Pause verdient und schlürfen gleich zwei Cappuccino hintereinander weg. Auf Thomas‘ Geheiß gibt’s für mich einen Brownie dazu, der eigentlich Mittagessen und Abendessen gleichzeitig abdecken könnte.

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Einmal U-Bahn und Schienenersatzverkehr später sind wir wieder in Boston, wo die Abendsonne die Häuser noch einmal in ein letztes tiefrotes Licht eintaucht. Signal für uns, zum Hotel zurückzugehen, denn hier wird es mit der Dämmerung ratzfatz dunkel.

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