Valdez liegt am Ende eines tiefen Fjords im Prince William Sound. Eigentlich eine geschützte Lage. Trotzdem wurde der Ort in den letzten 50 Jahren schon von zwei großen Katastrophen heimgesucht. Zuerst das Karfreitagsbeben 1964, das stärkste je aufgezeichnete Erdbeben Nordamerikas, das zweitstärkste der Welt. An den Docks hatte gerade ein großes Frachtschiff festgemacht. Der Koch der SS Chena warf den herbeigeeilten Kindern und Erwachsenen Bonbons und Früchte zu. Dann kam das Beben. Dann der Tsunami. Der Boden unter dem Ort hatte nachgegeben und war ins Meer gerutscht, der Ort drei Meter abgesackt. Daher die Flutwelle. Zuerst verschwanden die Docks, also praktisch der ganze Hafen im Nichts und riss 30 Menschen mit sich. Dann wurde das Schiff zehn Meter angehoben, landete im Trockenen. Die nächste Welle packte den Frachter wieder und warf ihn zurück ins Meer. Schiff und Besatzung überstanden den Tsunami, der Ort Valdez nicht. Man baute einen neuen Ort, einige Meilen weiter westlich.
Dann der März 1989, an dem kurz vor Mitternacht die Exxon Valdez nach dem Verlassen des Hafens auf Grund lief und die bisher größte Ölkatastrophe Nordamerikas hervorrief. In Valdez endet die Trans Alaska Pipeline, die das Öl von der Beringsee einmal durch den ganzen Staat transportiert. Im großen Ölhafen von Valdez werden die Tanker beladen. Auf dem Weg hinaus auf den Ozean passiert die Schifffahrtsroute den Columbia Glacier, der in dieser Nacht viele Eisberge hinaus in den Prince William Sound schob. Soweit ganz normal, man änderte den Kurs, um das Eis zu umfahren. Aber der Kapitän war betrunken, und sein Steuermann hatte für die Fahrt in diesem Gebiet gar keine Zulassung. Also wurde der Kurs falsch gesetzt – als man es bemerkte, war es schon zu spät. Die Exxon Valdez lief auf Grund und drei der vier Tanks wurden aufgerissen.
Jetzt musste sich beweisen, was an den großmundigen Versicherungen der Konzerne dran war, auf solche Unglücke vorbereitet zu sein. Nichts war dran. Das Material zum Eindämmen des ausgelaufenen Öls war entweder nur auf dem Papier vorhanden, oder nicht einsatzfähig, oder erst Tage und Wochen später vor Ort. Drei Tage blieb das Wetter gut, Exxon schickte 20 Mann zum Reinigen des nahe gelegenen Strandes. Dann kam der Sturm und verteilte das Öl über die gesamte Südküste Alaskas. Die Jahre danach waren Zehntausende damit beschäftigt, die Strände zu säubern – jeder Stein wurde einzeln mit Seifenlauge abgeschrubbt – auch wenn sich später zeigte, dass das Reinigen eher nur noch mehr Schaden angerichtet hat. Die Natur hat sich viel besser selbst gereinigt, auch wenn das 25 Jahre gedauert hat. Dem verendeten Meeresgetier hat das natürlich wenig geholfen.
Wir wollen uns mal selbst ein Bild davon machen, ob sich das Meer vor Valdez erholt hat. Den Seeottern geht es jedenfalls ganz gut.
Der Weiskopfseeadler dreht mir auf dem Foto leider den Rücken zu. Er wollte wohl inkognito bleiben.
Unser Ziel für heute ist der Columbia Glacier, jenem Bösewicht, der beim Unglück der Exxon Valdez die vielen Eisberge in Richtung der Schifffahrtslinie losgeschickt hatte. Uns kommen auch schon die ersten Eisberge entgegen. Im Gegensatz zum letzten Bootstrip ist es heute ganz schön zapfig. Als wir in die Bucht vor dem Gletscher eingebogen sind, fiel das Thermometer urplötzlich von 10 auf 4 Grad. Der Gletscher ist so weit ausgedehnt und so massiv, dass er diese kalte Luft die ganze Bucht hinunterschickt, sein Atem reicht 20 Meilen weit.
Auf einer Eisscholle treiben ein paar Seeotter dahin.
Neugierig schauen sie zu uns herüber.
Dann taucht der Columbia Glacier letztlich auf. Was ganz nah aussieht ist tatsächlich noch weit entfernt. Die Gletscherzunge ist einige Meilen breit und wir sind auch noch mehrere Meilen von der Abbruchkante entfernt.
Ohne jeden Anhaltspunkt verschätzt man sich total bei Größe und Entfernung. Diese Eiswand ist 80 Meter hoch!
Wir tasten uns ganz langsam durch das Eis immer näher an den Gletscher heran. Den Bug richtet unser Captain immer auf den Gletscherrand aus, sodass wir im Falle eines größeren Eisabbruchs die Flutwelle nicht längs abbekommen. Die Geräuschkulisse ist faszinierend. Das im Wasser dahintreibende Eis pritzelt und knackt beim Schmelzen. Bei jedem Abbruch, was alle paar Minuten passiert, ein dunkles Donnern. Dazu dauernd das Klonksen des Eises, wenn es an die Bordwand schlägt, während wir uns langsam weiter vorarbeiten.
Für große, wie für kleine Eisberge gilt: Über der Wasseroberfläche befinden sich nur etwa 10% des Volumens. Die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs.
Mit ausreichendem Sicherheitsabstand bleiben wir nun stehen und der Captain stellt den Motor ab. Was aussieht wie hundert Meter ist doch eine gute Meile (1,6km). Leise treiben wir durchs Eis. Außer uns ist kein anderes Boot hier.
Wir fixieren die Eiswand. Bei jedem Anzeichen eines Abbruchs gehen die Objektive hoch.
Bricht Eis ab, dann braucht der Schall gut fünf Sekunden bis zu uns. Das tiefe Donnern ist nicht zu überhören. Aber reagiert man erst auf das Geräusch, sieht man vom fallenden Eis höchstens noch die Wasserfontaine. Aber auch die hat es in sich. Nochmal zur Erinnerung: Die Eiswand ist bis zu 80 Meter hoch.
An einigen Stellen kommt das Blau des Eises besonders toll raus.
Irgendwann müssen wir uns dann doch von dem Anblick losreißen. Der Captain (tatsächlich eine „Sie“) wendet das Boot und langsam machen wir wieder auf den Rückweg durch all das Eis.
Auf dem Rückweg kommen wir noch an einem glasig blauen, statt weißen Eisberg vorbei. Der dürfte erst vor wenigen Minuten umgekippt sein. Was vorher unten im Wasser war, ist jetzt oben in der Luft.
Ein Stück weiter beobachten wir einen Buckelwal beim Abtauchen (wieder kein Foto…) und letztlich fahren wir noch am obligatorischen Seelöwenfelsen vorbei.
Zurück im Hafen von Valdez gehen wir noch unglaublich lecker Fisch essen und fallen dann von der vielen frischen (und kalten) Luft ermüdet ins Bett. Ungefähr so: