Good Morning, California

Am Strand herrscht morgendliche Ruhe. Nur wenige Jogger und ein paar Schatzsucher mit ihren Metalldetektoren laufen durchs Bild. Die Möwen nutzen das aus und machen sich breit. Nur ab und zu fliegen sie auf, dann natürlich alle gleichzeitig. Es ist mild aber unter 20 Grad, für einige genug, um in der Badehose Frisbee zu spielen. Die Surfer sind natürlich schon zu Dutzenden draußen.

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Queen Mary

Wie geplant besichtige ich heute erst einmal die Queen Mary in Long Beach, die zwischen 1936 und 1967 unzählige Male den Atlantik überquert und dabei jahrelang das Blaue Band für die schnellste Ozeanpassage trug. Nach der Self Guided Tour im Maschinenraum soll ich mich für 12:00 auf dem Promenadendeck einfinden, zu einer weiteren Guided Tour. Wie sich herausstellt handelt es sich um die Ghosts & Legends Tour, in der wir im Schummerlicht tief durch den Schiffsrumpf geführt werden, allerlei Geistern begegnen, einer Kesselexplosion entgehen und zuletzt ganz vorne im Rumpf, 36 Fuß unter der Wasserlinie noch knapp einem Wassereinbruch entgehen. Ich sag mal, gut dass ich vorher nochmal für kleine Passagiere war…

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Newport Beach

Der Eigner der kleinen Yacht stellt sich als Andrew vor, nachdem er mir anbietet, mich mit seinem Boot zu fotografieren, kommen wir kurz ins Gespräch. Tatsächlich hat er erst vor knapp zwei Jahren ein Praktikum in Passau gemacht, bei MyMuesli, meinem Müsli-Alleinlieferanten. Wir tauschen uns kurz über Müslivarianten aus. Die Leute seien ja so nett gewesen, in Süddeutschland, und das Bier erst, sagt er. Wir lieben die Berge, sie sind für uns, was für ihn hier der Ozean ist, meine ich. Also gibt er mir noch einige Wandertipps für kalifornische Nationalparks mit auf den Weg, dann muss er aber ablegen, er liegt am 20-Minuten-Pier. Kurzparkzone.
Balboa Island ist traumhaft. Wer hier eines der kleinen Wochenendhäuser besitzt, kann keine Sorgen mehr kennen. Ich umrunde die Insel zu Fuß. Der Boardwalk trennt den kleinen Strand, die Bootsstege und die Lagune von den Terrassen und Mini-Gärtchen der Anwohner, oft ohne klare Trennung. Wer Gartenzäune für überflüssig hält, kann nur ein guter Mensch sein. Erstaunlich viele Locals führen ihre Hunde auf dem Boardwalk aus, natürlich stets mit Plastiktüte bewaffnet. Ob die armen Viecher nicht lieber mal ins Grüne kacken würden? Was macht man als Tierfreund eigentlich, wenn der Hund mal Durchfall hat?
Unterwegs sehe ich, dass die Fähre am Ende der Insel nur 2$ pro Fahrzeug kostet. Das muss ich natürlich ausnutzen, auch wenn immer nur drei Fahrzeuge auf den Ponton passen. Mal sehen, wo sie mich überhaupt hinbringt… Zum Strand natürlich, wir sind ja schließlich in Southern California.

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Morning Surf

Im Gegensatz zu der Dame am Nachbartisch habe ich mich gegen Rührei mit Ketchup, und für Joghurt mit Obst und Granola entschieden. Dazu einen frisch gepressten Orangensaft, naja, und einen Blueberry Muffin. Sogar der „Kaffee“ beginnt mir zu schmecken, Anzeichen erster Amerikanisierung? Oder Californication? Ich blicke beim Frühstück über Palmen direkt aufs Meer, so könnte ich jeden Tag beginnen. Jetzt noch ein kurzer (Abschieds-)Spaziergang über den Strand, dann kann es los gehen. Strand ist schön, aber Berge sind noch schöner. Also auf ins Landesinnere, dort soll’s heute 30 Grad warm werden. Sorry, musste ich erwähnen.

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Palm Springs Aerial Tramway

Knapp zwei Stunden von LA entfernt liegt Palm Springs, Rentneroase und Rückzugsort des Jetsets im „kalten“ Winter Kaliforniens. Der Wetterbericht sagt klare Sicht voraus, also plane ich, mit der Seilbahn auf 2.596m Höhe aufzusteigen und dabei vier Vegetationszonen zu überwinden. An der Talstation angekommen nehme ich erstmal die amerikanische Seilbahnbaukunst in Augenschein, denn Wikipedia zufolge hat hier ein gebrochener Bolzen schon mal ein Menschenleben gefordert. Aber das vertraute Doppelmayr-Logo beruhigt mich, ebenso wie das Vertrauen in die Ausbildung der Betreiber, denn dem bereits genannten Wikipedia-Eintrag entnehme ich auch, dass der letzte größere Defekt nach 4,5 Stunden von einem ungelernten Operator mit Hilfe dessen Leatherman beseitigt werden konnte.

Gleichzeitig mit mir ist eine Busladung amerikanischer Rentner von Discover America Tours eingetroffen, was zu der Erkenntnis führt, dass amerikanische Reisegruppen sich genauso benehmen, wie deutsche Reisegruppen: laut und unangemessen. Ich lasse es über mich ergehen, und schmunzle, als bei gleichbleibendem Rhabarber-Rhabarber der Rentnergruppe während der gesamten Gondelfahrt das obligatorische Band anläuft, auf dem mit Zirkusdirektorstimme alle Fakten und Besonderheiten von Seilbahn und Umgebung erklärt werden.

Die Seilbahn ist die größte Seilbahn der Welt mit, sich um die eigene Achse drehenden Panoramagondeln. An den Außenwänden sind wie gewohnt Haltestangen angebracht, allerdings dreht sich darunter der Boden und macht pro Fahrt zwei volle Umdrehungen. Mit dem Festhalten ist es da natürlich nicht mehr so einfach, besonders bei Stütze vier schaukelt es auch ganz nett. Man könnte nun einfach auf seinem Platz stehen bleiben, und sich nur festhalten, wenn es nötig wird, aber der Herr links neben mir kommt damit irgendwie gar nicht recht klar und tippelt ohne es zu merken andauernd langsam rückwärts. Mit viel „Excuse me, excuse me“ muss ich immer wieder an meinen am Boden abgestellten Rucksack hinuntergreifen um mit der Masse rückwärts tippeln zu können. So hat die gesamte Gondelladung bis nach oben zwei volle Umdrehungen der Gondel mitgemacht, minus eine halbe Umdrehung, die wir kollektiv zurückgetippelt sind. Beim Aussteigen erhalten wir noch einige Instruktionen und Directions vom Seilbahnschaffner: „The terrace is upstairs. The restrooms are downstairs. The hiking area is outside.“ Scheiße. Wirklich? Draußen?

An der Bergstation gibt es ein Fullservice-Panoramarestaurant mit gelobter Küche, und eine SB-Cafeteria. Mein Frühstück liegt schon etwas zurück, und ich merke ein wenig die dünne Luft in der Höhe, also schaue ich mich mal nach einem kleinen Snack um. Was die Mitreisenden hier oben in der Cafeteria vertilgen ist einfach nur traurig und würde auch nach dem zweiten Verdauungsgang nicht anders aussehen. Ich erspähe dennoch Müsliriegel und eine Obstschale, greife mir zwei Riegel und einen Apfel. An der Kasse antworte ich verdutzt auf die Frage „The fresh fruit, did you bring it?“ – „No, I want to buy it.“ – „You want to buy it?“ – „Yes, that’s an apple.“ – „Ah, okay.“ – „So nobody bought that before me today? Or this week?“ – „Yes, hehe…„. Fertig ausgerüstet begebe ich mich in die hiking area. Ich finde sie draußen.

Oben am Berg ist es durchschnittlich 30° kälter als unten. Also, in Fahrenheit. In Celsius sind das… äh… also, es ist oben halt kälter als unten. Und windiger (wobei, wer das Tal hinunter nach Palm Springs kennt, weiß, dass es auf keinem Berg so windig sein kann, wie dort unten). Auf jeden Fall packe ich mich erstmal angemessen warm und winddicht ein, und mache mich auf den Weg in die Wilderness. Zuerst geht es auf vier Meter breitem Betonweg nach unten, später aber tatsächlich auf unbefestigtem Wanderweg an massiven Kiefern vorbei zu verschiedenen Aussichtspunkten. Neun von zehn meiner Mitfahrer haben die Bergstation nur für ein kurzes Foto verlassen. Fünf von hundert haben sich nicht getraut, nach dem Betonweg weiterzulaufen, die Kiefernnadeln pieksen doch ganz schön durch die Flipflops. Mit den restlichen fünf von hundert teile ich mir den Wanderweg, sprich: Ich bin praktisch allein.

Hier oben liegen noch ein paar Schneereste, aber die Wintersportsaison (Snow Shoeing, Langlauf) ist schon vorüber. Am Aussichtspunkt mit dem schönen Namen „Notch 5“ setze ich mich in die Sonne und picknicke. Den Apfelbutzen traue ich mich nicht in den Abgrund zu werfen („Do Not Litter!„), ich möchte ja nicht als Einziger in Handschellen vom Berg geführt werden, nicht wenn auf der Talfahrt wieder alle rückwärts tippeln. In einem unentdeckten Augenblick überwinde ich meine Ängste und mache ein Squirrel glücklich.

Leider lag der Wetterbericht doch recht daneben, und statt klarer Sicht hinein in die Weiten des Yoshua Tree National Parks sieht man nur hinab in’s im Schachbrettmuster besiedelte Gebiet um Palm Springs. Ich mache mich auf den Rückweg. Auf der Talfahrt stelle ich mich in die Mitte der Gondel und beobachte belustigt, wie die Reisegruppe wieder den Moonwalk machend zu Tale tippelt. Besonders bemerkenswert fand ich dann noch die wissbegierige Frage einer Dame an den Seilbahnführer: „Does it go down faster than up?

Fazit des Ausflugs: Bei mäßiger Sicht war es nicht ganz so lohnend. Dennoch habe ich viel gelernt. Aber der leckere Cappuccino in meinem Stammcafe in Palm Springs wird den Tag wieder rausreißen, das weiß ich jetzt schon.

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Sounds and the City

Nach diesen beiden eindrucksreichen Tagen, die selbstredend nur der Akklimatisierung und Reduktion des jet lags dienten, muss ich mich nun leider dem Hauptgrund meiner Reise widmen. Während nun endlich der klare, blaue Himmel wieder in LA eingetroffen ist, habe ich den Tag in (zum Glück ungewohnt moderat) gekühlten Tagungsräumen verbracht, mir dennoch bei der Mittagspause einen kleinen Sonnenbrand auf der „Stirn“ eingefangen. Ist mir noch nie passiert.

Das Hotel nahe des Tagungsorts liegt idyllisch am 12-spurigen San Diego Freeway. Meinem Ansinnen nach einem anderen, ruhigeren Zimmer wurde dennoch nachgekommen; ich wohne jetzt vier Zimmer weiter rechts. Bei gleichem Lärmpegel, versteht sich. Die Hotelbetreiber kennen die Beschwerden und haben auf jeden Nachttisch eine Postkarte „Sounds and the City“ gelegt: „Our dynamic urban atmosphere brings many different sounds that may surprise you. One of these sounds is the famous 405 freeway that passes by our hotel.“ Und Ohrstöpsel haben sie auch gleich dazugelegt. Danke, hab ich selber. Anständige Fenster wären eine Lösung gewesen – aber doppelverglaste Scheiben müssen sicher teuer aus dem Ausland eingeflogen werden… Des Weiteren wurde ich informiert, dass mein Nachbarzimmer in den kommenden Tagen entkernt und renoviert wird. Kein Problem, den Freeway können sie kaum übertönen.

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Lunch Time

Heute lasse ich Lunch aus und entscheide mich dafür für eine kalorienarme Kugel Chocolate Therapy bei Ben & Jerry’s. Auf der Plaza spielt über Mittag ein Alleinunterhalter auf, umringt von den Jungs und Mädchen einer Grundschulklasse, deren gelber Schulbus am Eingang parkt. Heute morgen habe ich in weiser Voraussicht mit Sonnencreme vorgesorgt, jetzt sitze ich in der prallen Sonne und genieße mein Eis. Die Kids laufen über die Plaza und sitzen rund um die Ein-Mann-Band. Bei „Baby, you’re a firework“ stimmen wie selbstverständlich alle mit ein und so singt der ganze Kinderchor den Song bis zum Ende mit. Es ist rührend.

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Hurricane Salmon

Heute Abend mache ich noch einen kurzen Abstecher in die Mall um die Ecke, jedoch wenig ergiebig, der Hollister dort ist winzig. 😉
Soll ich mir vielleicht eine Runde im Hurricane Simulator gönnen?
Besser nicht. Gönne mir lieber was Leckeres zum Abendessen.

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Stromausfall und LACMA

So, Samstag Nachmittag, Business is over!

Schnell aufs Zimmer und umziehen, und plötzlich… Stromausfall. Es gibt genau zwei Orte, an denen ein Stromausfall echt ungünstig ist. Fahrstuhl. Badezimmer. Ich war nicht im Fahrstuhl.

Soviel hierzu. Zum Glück ist es ja draußen noch hell, und so mache ich mich nach wenigen Minuten auf den Weg zum Auto, elf Stockwerke abwärts, Treppenhaus.

Zuerst mache ich mal einen Abstecher zum LACMA, dem Los Angeles County Museum of Art (irgendwie lese ich immer LMAA, egal).

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Und siehe da, ich bin ja so leicht zufrieden zu stellen (richtig, es ist ein Peanut Butter Cookie):

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La Brea Tar Pits

Gleich nebenan befinden sich die La Brea Tar Pits, die ich eigentlich nur aus irgendeinem Katastrophen-Film kenne (dort wächst glaube ich ein Vulkan aus den Teertümpeln hervor). Die Tar Pits sind eine Ansammlung großer und kleiner Teerpfützen, die im Laufe der Jahrtausende schon das eine oder andere Tier- (und sogar Menschen-)Leben gekostet haben. Tatsächlich stinken die Pfützen nach Teer, und stoßweise treten große Gasblasen hervor. Bei Ausgrabungen wurde der Teer abgeschöpft und so kamen u.a. Mammut- und Bärenknochen zum Vorschein, die im angeschlossenen Museum zu bewundern sind. Zur Visualisierung hat man dann ein paar Beton-Mammuts in den See gesetzt. Hab ich das also auch mal gesehen.

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Zumba!

Was macht man in LA am Samstag Nachmittag? Cruisen! Also cruise ich mit.  Eine gute halbe Stunde lang fahre ich immer im Kreis auf den Parkdecks des Farmer’s Market und des angrenzenden Shopping Centers „The Grove“. Immerhin habe ich bei jeder Runde einen schönen Blick über Downtown LA, und über Hollywood bis hin zum berühmten Hollywood Sign.

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Aber auch ich habe irgendwann Glück, finde einen Parkplatz und stürze mich in den Rummel. Gerade noch rechtzeitig komme ich zum Zumba-Kurs – da darf wirklich jeder mitmachen…

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Im Pavillon hinter den Zumba-Tänzern kann man sich übrigens mit dem Osterhasen fotografieren lassen. Das lasse ich aus, folge statt dessen meiner Nase, und besichtige den gut sortierten und beeindruckend großen örtlichen Abercrombie.

Farmer’s Market at Fairfax/3rd St

Zwei Hemden später schlendere ich hinunter zum Farmer’s Market. Tatsächlich finde ich einen richtigen kleinen Markt vor, fast wie am Viktualienmarkt! Ich wusste gar nicht, dass es soetwas hier überhaupt gibt…

Ich tauche also in die Geräuschkulisse des Marktes ein, und sehe mir mal die Karte bei einem offensichtlich recht beliebten Mexikaner an. Neben mir ein Mann in schwarzem Rollkragenpulli, Sakko, Jeans, Dreitagebart. Vom Film! Bestimmt! Sicher Produzent oder so. Mindestens zwei Grammys. Führt heute seine neuen Autoren in LA aus, und zeigt ihnen seinen Lieblings-Mexikaner. Ich höre nur „Everything here is delicious„. Gebongt. Hier wird gegessen. Nur was?

 

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Hinter dem Tresen nimmt Carlos die Bestellungen entgegen. Er bemerkt mein hilfloses Suchen auf der Karte, und bietet mir an, eine Sampler Plate zu machen, a little bit of everything. Immer gerne. Während ich nun auf meine Bestellung warte, sehe ich den Köchen bei der Arbeit zu. Die Tortillas werden auf einer großen Grillplatte frisch gemacht. Irgendwann packt der Koch nicht die üblichen handtellergroßen Teiglinge auf den Grill, sondern ganz viele kleine. Und zwei Minuten später ist meine Sampler Plate fertig. Heute wird es sich auszahlen, dass ich mir den Appetit für später aufgehoben habe.

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Während ich nun meine Tacos genieße, werde ich mehrmals von anderen Besuchern gefragt, was ich denn da habe. „Sampler Plate, a little bit of everything. Everything here is delicious!“ entgegne ich, und sehe nun immer öfter die kleinen Tortillas auf den Grill wandern. Übrigens bin ich hier nicht der Einzige, der sein Essen mit dem Handy fotografiert.

Das war lecker. Jetzt muss ich nur noch den Cafe-Stand wiederfinden, den ich vorher schon erspäht habe. Bei Huntington Meat gibt es nicht nur fabelhaftes U.S.D.A. Prime Beef, sondern auch eine ansehnliche Wurstauswahl. Nunja, jedem das Seine. Ich such jetzt meinen Cafe-Stand.

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Schließlich werde ich fündig, und verwöhne mich heute schon zum zweiten Mal mit einem erstklassigen Cappuccino. Immerhin gelingt es mir, beim Gebäck diesmal Nein zu sagen. Auch wenn’s schwer fällt.

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Getty Center

Jetzt muss ich aber los. Eigentlich wollte ich zur Dämmerung am Getty Center sein, von dort den Blick über die Stadt genießen. Das werde ich nicht mehr ganz schaffen, es dämmert nur kurz hier zur Zeit, dann ist es zappenduster. Also kein Stress, und so nehme ich statt dem Freeway den Wilshire Blvd, der mich durch Beverly Hills am Rodeo Drive vorbeiführt.

Und so cruise ich hier einmal den Rodeo Drive rauf und wieder runter, vorbei an Gucci und Versace. Jetzt bloß nicht eines der am Rand parkenden Autos anfahren, könnte teuer werden. Ziemlich ausgestorben hier, die Läden haben wohl offen, aber die Klientel hat ja die ganze Woche Zeit zum Shoppen, und am Samstagabend wohl Besseres zu tun. Mag auch sein, dass man sich bei einigen der Geschäfte hier vorher telefonisch anmelden muss, und dann durch den Hintereingang hineingelangt. Auf jeden Fall sind hier im Gegensatz zum Rummel auf dem Farmer’s Market kaum Leute unterwegs. Nur ein paar Touristen fotografieren verzweifelt die Rodeo Drive Straßenschilder, denn ansonsten gibt es hier nix zu sehen.

Zu guter Letzt cruise ich am ehrwürdigen Beverly Wilshire Hotel und am Beverly Hilton vorbei und folge dann den Anweisungen meines Navi’s zum Getty Center. Mit etwas Glück könnte es noch nicht ganz dunkel sein, wenn ich ankomme.

Das Getty Center liegt extravagant auf einem Hügel nahe des Freeway 405. Mein Navi führt mich vorbei am sich stauenden Verkehr – super – und auf die Getty-Zufahrt zu. Leider leitet es mich aber nicht zum Parkhaus, sondern zum geschlossenen Lieferanteneingang, na toll. Beschildert ist die Zufahrt offenbar nur vom Freeway aus, nur wie finde ich da jetzt zurück? Also begebe ich mich auf eine halbstündige Irrfahrt durch Bel Air – vorbei an Villen und hohen Hecken, bis ich wieder zum Sunset Blvd zurück finde, die Auffahrt auf den Freeway verpasse, nach einer Meile die erste Wendemöglichkeit und dann auch endlich den Freeway finde, und so erreiche ich eine Stunde vor Torschluss und im Stockdunklen das Getty Center.

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Von all dem lasse ich mir die Stimmung trotzdem nicht verderben, nehme noch ein bisschen den Blick über die Umgebung (weit reicht der Blick heute Abend leider ohnehin nicht, da am Nachmittag etwas Dunst aufgezogen ist), und die sagenhafte Architektur des Getty Center mit, und mache mich schließlich wieder auf den Heimweg zum Hotel.

Selbigen finde ich deutlich besser als den Hinweg – nur eine geschlossene Auffahrt und drei Meilen Umleitung später bin ich wieder auf der 405 South. Kurz vor dem Hotel – auf der anderen Seite des Freeway – muss ich noch einem Fahrzeug ausweichen, das mit weit aufgerissener Türe am Straßenrand steht. Die Cops halten den Fahrer auf dem Gehweg in Schach. Da fahr ich mal lieber zügig weiter.

Der Strom ist wieder da! So muss ich nicht die elf Stockwerke zu Fuß rauf, prima.

Während ich dies hier tippe, kreist der Polizeihelikopter gegenüber des Freeway, den Kegel seines Suchscheinwerfers fix auf eine Stelle gerichtet. Es ist Samstagnacht. Ich bin in L.A.

Santa Monica

Heute Abend geht es heim, hm. Ich schlafe endlich mal einen Morgen aus und frühstücke nochmal quer durchs Buffet: Eier, Speck, Pancakes, Waffel mit Erdbeeren. Das dürfte bis abends vorhalten.

Gestärkt für den Tag mache ich mich auf den Weg nach Santa Monica. An einem Sonntag haben diese Idee noch andere, kurz nach mir sind die meisten Parkhäuser auch schon voll.

Auf der 3rd Street Promenade, die ganz den Fußgängern vorbehalten ist, ist schon eine Menge los. Die Straßenkünstler scheinen auch immer jünger zu werden, ganz vorne tritt eine Band auf, deren Leadsänger vielleicht vierzehn ist, Zahnspange trägt, und seine beiden Bandmitglieder als seine Schwestern vorstellt. Die Drei können eine Menge – außer singen. Naja, ich tue ihnen etwas unrecht, aber die Show ist 1A und auf der Lautsprecherbox sitzt im Schatten der Herr Papa und verfolgt stolz, wie die Kids die Fußgängerzone rocken. Wenige Schritte weiter spult ebenfalls ein Youngster sein Entertainmentprogramm ab, er arbeitet mit dem Jojo. Normalerweise würde ich sagen, da muss man mindestens 15 Jahre nichts anderes getan haben, um das so zu beherrschen. Aber der Bursche dürfte noch keine 14 sein. Auch hier sehe ich die Eltern stolz am Straßenrand zusehen.

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Ich marschiere weiter in Richtung Strand. Der Santa Monica Pier ist ein auf Holzbohlen aufgebauter kompletter Vergnügungspark, der heute vollkommen aus den Nähten platzt. An jeder Ecke wird gesungen, getanzt oder anderweitig gestraßenkünstlert. Ich bin schon einige Dollarnoten los geworden, bis ich mir ein Plätzchen ganz vorn am Pier in der Sonne suche. Ich reflektiere noch einmal kurz, was ich heute morgen vom Wetter in der Heimat gehört habe, und beschließe heute unbedingt noch so viel Sonne zu tanken, wie irgendmöglich. Der Kerl im gelben T-Shirt singt ganz nett, von Beatles bis Coldplay, ich döse fast ein wenig weg. Die Luft ist angenehm heute, nicht wirklich heiß, aber die Sonne brennt schon ganz schön. Die Holzstufen haben sich auch schon mit Wärme aufgeladen, ich beschließe noch ein, zwei Lieder sitzen zu bleiben. Draußen wird gesegelt, die Wellen brechen leise. Jetzt spielt er auch noch Hotel California; ich muss hier weg. Sonst bleib ich noch für immer…

 

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Am Ende des Piers haben die Cops eines ihrer Dienstfahrzeuge geparkt, wahrscheinlich um alle Kollegen vom Lande richtig neidisch zu machen. Kaum ein Besucher lässt diese Fotogelegenheit aus. Dass die Karre nicht nur Dekoration ist, sehe ich später, als die Cops plötzlich zum Einsatz auf der Mitte des Kais ausrücken und dort auch mit Hilfe einer weiteren Streife vom Festland vor begeistertem Publikum einen Übeltäter in Handschellen legen. Action pur. Danach werden noch ausgiebig Zeugen vernommen, aber ob man dafür zu Acht anrücken musste? Die Hälfte der Officers hält Kaffeebecher in der Hand – ich denke, die fanden einfach den Einsatzort klasse. Dumm nur für den Bösewicht, der die ganze Zeit im vergitterten Fond des Steifenwagens verbringt, und sicher noch nie so häufig fotografiert wurde wie heute. Naja, oder vielleicht doch.

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Muscle Beach

Den Muscle Beach in Santa Monica muss man einfach gesehen haben. Hier sind allerlei Sportgerätschaften im Strand vergraben, und während Spielplätze für Erwachsene bei uns eher selten sind, gehören sie hier an vielen Stränden dazu. Hier trifft sich alles was Muskeln hat, und diese gerne vorzeigt. An den Geräten wird geturnt, man hangelt sich an den an langen Ketten angebrachten Ringen von einem Ende zum anderen, klettert Seile empor, oder man hebt sich einfach gegenseitig hoch. Auf den Slacklines einfach nur zu balancieren ist relativ out, hier werden jetzt Sprünge und Salti geübt. Auf der Gymnastikwiese wird Yoga gemacht, Hand-auf-Hand-Akrobatik, Salti aus dem Stand, oder einfach nur im Handstand abgehangen. Eine Touristin fragt mich, ob hier ein spezieller Wettbewerb liefe. Ich denke nicht, erkläre ich ihr, diese Leute treffen sich einfach nur hier und turnen gemeinsam. „You can join them if you want!“ Sie schüttelt verwundert den Kopf, kann es immer noch nicht glauben. Denn alles was man hier an Körperbeherrschung sieht, hat tatsächlich Weltniveau.

Ich schlendere zurück zum Pier, denn dort habe ich einen kleinen Fahrradverleih erspäht, bei dem sich die Leute im Minutenrhythmus Radl ausleihen. Unterwegs gerate ich in die Vorstellung eines Straßenkünstlers, er sagt irgendwas Lustiges, ich verstehe kein Wort, lache, winke, gehe weiter, alle lachen. Ein Flitzer im hautengen, hauchdünnen grünen Ganzkörperkostüm lenkt dann die Blicke ab. Noch nie habe ich so viele ungewöhnliche Menschen auf einmal gesehen. Eigentlich könnte ich mir hier auch einfach ein Plätzchen suchen, und die Leute angucken. Aber da steht noch genau ein Beach Cruiser beim Radlverleiher, und den greife ich mir jetzt.

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Venice Beach

Der Cruiser mit seinem hohen Lenker ist gar nicht leicht zu manövrieren, aber zum Glück wird auf dem Bike Path nur ganz relaxt gefahren. Ich fahre den Strand südwärts, mein Ziel heißt Venice Beach. Die Freak-Dichte nimmt auf Venice hin noch weiter zu, auf dem „alternativen“ Flohmarkt (Sonnenbrillen, Handlesen und Alles rund um den Drogenkonsum), der sich über mindestens zwei Meilen hinzieht, sind heute zehntausende Menschen unterwegs. Hier findet jeder sein Plätzchen: Die Samba-Trommler treffen sich immer am gleichen Strandabschnitt. Die Skate-Dancer mit ihren klassischen Rollerskates haben ihren Platz, die Skater ihre Bowls und Rails, dann geht es weiter mit Basketball und sogar Tennis. Nur das berühmte Freiluft-Kraftstudio am Muscle Beach ist verwaist.

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Ich bleibe erstmal bei den Skate-Dancern hängen, allein hier könnte man den ganzen Tag verbringen und einfach nur die Menschen beobachten.

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Drüben bei den Skatern dominierten zwei Kids, ein Junge und ein Mädchen, die vielleicht zehn sind, oder zwölf, und mit ihrem geringen Gewicht und Körperschwerpunkt ganz andere Geschwindigkeiten hinlegen können, als die Älteren. Die Kurzen schießen wie Pistolenkugeln durch die Bowls und legen Sprünge locker bis zwei Meter hin. Für mich sieht das aus, als trainierte hier die Weltelite im Skateboardfahren.

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Venice Canals

Zu guter Letzt spaziere ich noch zu den Venice Canals und drehe dort ein paar Runden, die hübschen Anwesen an den Kanälen bewundernd. So lässt sich leben.

Nach der kurzen Rückfahrt nach Santa Monica retourniere ich mein Bike, gönne mir noch einen leckeren Burrito mit extra Guacamole, dazu eine Lemonade, und genieße dabei die warme, tiefstehende Sonne, noch nicht wissend, dass es zurück in München morgen – ja – schneien wird.

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