Nach einer jet lag bedingt etwas zu kurzen Nacht am Grand Canyon brechen wir heute zeitig auf. Wir frühstücken mäßig, dafür teuer in der Canyon-Kantine, statten noch einigen Aussichtspunkten kurze Besuche ab. Am Grand View sind wir so früh noch die einzigen am Parkplatz, wir verabschieden uns leise vom Blick in den Canyon – hier sehen wir auch zum ersten Mal hinab zum Colorado (auch wenn der noch einen 21km langen Marsch entfernt wäre).
Wir genießen die totale Stille. Die aber dann doch nicht lange währen soll – es treten auf: Ein frisch verlobtes Paar in Anzug und Kleidchen mit Fotograf. Die müssen nun unbedingt auf den Felsen raufklettern, von dem aus wir gerade die Aussicht genießen. Dort werden dann schnell die Turnschuhe gegen 15cm hohe High Heels getauscht, es klickt ein paar Mal der Auslöser, und mit den Worten „up to the next location“ sind sie auch schon wieder weg. Wir bleiben verdutzt zurück, verabschieden uns nun endgültig vom Grand Canyon, und fahren weiter Richtung Norden, nach Page.
Nach zweistündiger Fahrt durch die Wüste steuern wir zuerst den Lower Antilope Canyon an. Die beiden Antilope Canyons sind sogenannte Slot Canyons, also Schlitze im Sandstein, die das Wasser hier hineingewaschen hat. Die Canyons sind Teil des Reservats der Navajo-Indianer. Wir entrichten zunächst die obligatorische Eintrittsgebühr ins Indianerland und melden uns dann für die nächste Tour in den Canyon, die zu unserem Glück schon gleich nach wenigen Minuten losgeht. Unser Guide ist ein Teenager namens Shay (Schreibweise geraten). Shay ist Navajo, hat eine müdes Stimmchen und heute noch nicht zu Mittag gegessen. Etwas unmotiviert führt sie uns zum unteren Canyon-Ausgang, wo wir erstmal fünf Stockwerke auf Stahltreppen hinabsteigen, bis wir den Canyon-Boden erreichen.
Unten angelangt bricht in unserer kleinen, großteils europäischen Gruppe ehrfurchtvolles Schweigen aus, die Farben und Formen des Sandsteins sind einfach zu überwältigend.
Der Weg durch den Canyon schlängelt sich wieder und wieder durch die Sandsteinwände, oft kommt man nur durch, wenn man einen Fuß vor den anderen setzt.
Jetzt, um Mittag, ist der Sonneneinfall besonders schön.
Shay merkt an, dass wir die leiseste Gruppe sind, die sie je durch den Canyon geführt hat (stimmt, keine Italiener dabei und die einzigen Amis hinken immer etwas hinterher, da sie sich in jeder Kurve in einer anderen Pose fotografieren müssen) und zeigt uns nacheinander was man mit viiiiel Fantasie in den Felsnasen erkennen könnte. Vom Piraten bis zur gesammelten Tierwelt ist so ziemlich alles dabei. Hier die Meerjungfrau mit wallendem Haar:
Thomas kommt seiner Pflicht als Familien- und Portraitfotograf nach.
Der Canyon wird immer enger und über weitere Stiege und Leitern steigen wir langsam nach oben.
Shay wartet auf Nachzügler, während wir dem Naturwunder schon wieder entstiegen sind.
Durch einen engen, kleinen Schlitz entsteigen wir dem Canyon. Von oben ist ihm die Schönheit nicht anzusehen.
Nach einem kurzen Snack entscheiden wir, uns auch den Upper Antilope Canyon noch anzusehen. Den Eintritt ins Indianerland haben wir ja schon gezahlt, also lösen wir erneut ein Ticket für eine Tour, denn zum Upper Canyon muss man erstmal 10 Minuten durch den sandigen Wash hinauffahren, der die beiden Canyons verbindet. Der Wash füllt sich nach Unwettern mit Wasser und wird zu einem Strom, der dann durch die Slot Canyons schießt und dort neue schöne Formen im Sandstein hinterlässt. Auf der Ladefläche des Pickups werden wir auf dem Weg hinauf recht durchgeschüttelt, aber der Fahrtwind kommt uns recht gelegen.
Der Upper Canyon ist ganz anders als der Lower Canyon: tiefer und breiter. Unsere Gruppe mit nur sechs Personen wurde gefahren und wird geführt von Jake. Jake hat offenbar schon zu Mittag gegessen und ist weit besser gelaunt als Shay. Wir betreten den Canyon durch dessen Ausgang, hier schießt bei Flash Floods das Wasser mit bis zu 55 mph (90 kmh!) heraus, der Slot Canyon wirkt wie eine Düse im Wasserstrom. Hier geht Jake mit Thomas in den Canyon:
Jake erzählt uns spannende Geschichten von vergangenen Fluten, bei denen er es schwer hatte, die schon bis zur Hüfte im Wasser stehenden Fotografen vom weiteren Fotografieren ab- und aus dem Canyon rauszubringen.
Jakes Großvater gehört eines der wenigen (Familien-)Unternehmen, die hier im Canyon Touren anbieten dürfen. Während Jakes Jugend hatte sich noch niemand für den Canyon interessiert, die Kids haben hier höchstens mal eine Party gefeiert, oder ein Feuer gemacht. Dann ging der Run auf den Canyon los, den man durch stetiges Hochsetzen der Preise etwas im Rahmen halten wollte. Dennoch kommen fortwährend mehr Besucher in den Canyon – so wirft dieser am Tag (!) bis zu 80.000$ ab. Trotzdem studiert Jake, und auch seine Brüder und Halbbrüder, die mit anderen Gruppen im Canyon unterwegs sind. Was von heute auf morgen kommt, kann genauso schnell auch wieder gehen. Der Großvater scheint ein kluger Kerl zu sein.
Noch fällt etwas Sonne bis zum Canyonboden, doch die Sonne hat sich draußen bald hinter Wolken verkrochen, sodass es im Upper Canyon schon recht dunkel sein kann. Dies bekomme ich schmerzlich zu spüren: Mit voller Wucht laufe ich gegen eine Felsnase und ziehe mir ein stattliches Hörnchen zu.
Trotz dröhnendem Schädel gebe ich alles und dokumentiere, wie Thomas wie im Feenland einen Sand-Wasserfall streichelt, den Jake durch Hochwerfen von Sand für uns herstellt.
Zuletzt macht unser Guide noch ein Foto von allen in unserer Gruppe und fährt uns wild schaukelnd zurück zum Parkplatz.
Zum Abschluss eines schönen Tages besuchen wir noch den Colorado River am Horseshoe Bend …
… suchen uns den Mexikaner mit dem buntesten Mobiliar aus …
… und essen Fajitas bis zum Umfallen.