Es ist Sonntagmorgen. Nach einem reichhaltigen Frühstück machen wir uns auf den Weg zur Long Wharf. Dort startet unser Schiff hinüber zu unserem Tagesziel: Salem. Früh morgens hat es noch geregnet, aber nach dem Frühstück hat der Wind die letzten Wolken beiseite geschoben, der Himmel präsentiert sich wolkenlos. Dennoch sind die Bänke auf dem Boot – aus Metall – doch etwas frisch zum drauf sitzen. Thomas zeigt hier mal, wie kalt die Bänke tatsächlich sind.
Die Sonne wärmt aber trotzdem schon ganz angenehm. Ich genieße die morgendliche Ruhe und den Blick auf Bostons Waterfront. Man kann’s auch schlechter erwischen…
Drei Mal wird gehupt, schon legt unsere Fähre ab und Bostons Skyline wird langsam immer kleiner.
Wir fahren hinaus aufs offene Meer und beim Leuchtturm biegen wir links ab.
Angekommen in Salem schleppe ich Thomas erstmal in Ye Olde Pepper Companie, meinen Stamm-Schokoladen-Dealer in Salem. Zu dem gibt es eine lange Geschichte von meinem letzten Besuch, die ich aber schon ein bisschen zu oft erzählt habe, und mir hier lieber spare. Leider gibt es im Laden heute gar nichts. Schokolade aus. Pralinen aus. Turtles aus. Alles aus. Enttäuscht ziehen wir weiter… 😉
Schon auf dem Weg vom Haus mit den Sieben Giebeln (Literaturkennern vielleicht ein Begriff – wir haben leider noch keinen Hawthorne gelesen) kommen uns erste unheimliche Gestalten entgegen.
Die Dekorationen einiger Häuser sind schon recht aufwändig und ausgefallen. Man beachte die in blauer Plastikfolie eingepackte Leiche…
… und auch ein echtes Ungezieferproblem scheinen sie hier zu haben.
Wir machen aber erstmal etwas Kulturprogramm. Salem war lange Zeit der größte Handelshafen Nordamerikas, eine stattliche Überseeflotte machte hier in der Bucht fest und transportierte Handelsware von und nach Indien und Asien. Damals noch ein ungemein langer Weg: Entweder ‚gen Osten rund um Südamerika, oder ‚gen Westen, rund um Afrika. Kap Horn oder Kap der Guten Hoffnung – Kanäle in Panama und Suez gab es noch nicht. Und alle Waren waren natürlich erstmal ordentlich zu verzollen, im Custom House.
Direkt vor dem Zollhaus liegt die Friendship, ein Nachbau eines typischen Handelsschiffs. Als ich zuletzt vor zwei Jahren hier war, hing dort nur ein Zettel „Where is the Friendship?“, schön dass der Klipper diesmal wirklich da ist. Und der Government Shutdown ist auch vorbei (das gesamte Ensemble hier ist ein National Monument), also hindert uns nichts daran, die Friendship zu besichtigen, und uns von den Volunteers auf dem Schiff erklären zu lassen, wie das alles so funktioniert hat auf einem Handelssegler.
Doch auch hier laufen uns schon wieder unheimliche Gestalten über den Weg…
Jetzt wollen wir aber mehr wissen. Wir folgen der Beschilderung Richtung Hexenmuseum und Hexendorf. Man beachte die auf dem Besenstiel reitenden Hexen auf diesen offiziellen Straßenschildern.
Ein fieses Wesen wacht hier über dem Waxmuseum, das wir uns so früh am morgen lieber sparen. Statt dessen trinken wir erstmal zum Aufwärmen einen Hot Cider.
Neben dem alten Dorffriedhof mit Gräbern, die bis zurück zu 1630 datieren, liegt das Witch Memorial, das an die 20 Hexen und Hexer erinnert, die hier in Salem hingerichtet wurden. Heute ist die ganze Gegend aber mit maskierten Halloween-Gästen bevölkert.
Einige haben sich für ganz schön fiese Kostüme entschieden.
Letztlich suchen wir noch die Statue des Ortsgründers auf, die direkt vor dem Hexenmuseum steht. Und irgendwie sieht der gute Mann doch selber wie eine Hexe aus, oder?
In der Ferne hören wir schon unsere Fähre hupen, es ist Zeit für den Rückmarsch zum Schiff. Dieses Haus scheint ebenfalls das Ungetier ganz schön anzuziehen.
Genug gegruselt. Wir fahren gemütlich der Abendsonne entgegen, zurück nach Boston Long Wharf.